Die Leiterin des Heimat, Prof. Dr. Havva Engin, bei Ihrem Begrüßungsstatement |
Die Veranstaltung fand unter dem Eindruck aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen rund um das Thema religiöser Radikalisierungstendenzen muslimischer Jugendlicher in Europa bzw. Deutschland statt. Fakt ist, dass in letzter Zeit Islam und Muslime durch politische Umbrüche, Konflikte und Kriege in verschiedenen Ländern mit muslimischer Bevölkerung, aber auch durch Diskurse wie die Zunahme von Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen, dem Aufkommen einer so genannten "Scharia-Polizei" auf deutschen Straßen oder dem religiösen Extremismus der Salafiten im Fokus medialer Öffentlichkeit stehen und sich der Grundton der Berichterstattung zunehmend verschärft.
Stefan Zinsmeister, Geschäftsführer der Eugen-Biser Stiftung München hielt den Impulsvortrag zur Veranstaltung |
Wie kann ein Dialog zwischen Muslimen und den gesellschaftlichen und politischen Akteuren der hiesigen (Mehrheits-)Gesellschaft gestaltet werden? Macht ein Dialog in der angespannten Lage überhaupt Sinn oder muss er ganz anders geführt werden?
Die Podiumsteilnehmer im Gespräch |
Stefan Zinsmeister, Geschäftsführer der Eugen-Biser Stiftung, betonte in seinem Impulsvortrag die Bedeutung der „Wandel durch Dialog“-Publikation und die politische Prägung entsprechender Grundgedanken durch Egon Bahr. Der Wandel stelle mehr als nur Annäherung dar; es sei mit Anstrengung und Perspektive auf eine neue Wirklichkeit verbunden. Es müsse ein Gewicht auf politische Aspekte zum Zusammenleben in Deutschland gelegt werden, wobei die gemeinsame „Hausordnung“ mit gleichen Pflichten aber auch Rechten für alle im Vordergrund zu stehen habe. Für das Gelingen eines Dialogs sei die Schaffung eines Raum für Begegnungen auf Augenhöhe unabdingbar, denn nur konkrete Gespräche ermöglichten ein Erreichen solcher Ziele.
An der anschließenden Podiumsdiskussionen nahmen Dr. Bekir Alboğa, Beauftragter für interreligiösen Dialog der "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" (DITIB), Köln, Dr. Max Bernlochner, Ministerium für Integration Baden-Württemberg, Referat Interkulturelle Angelegenheiten, Stuttgart, Yakup Divrak, Alevi Bektaşi Gemeinde Heidelberg und Umgebung, HABT, Heidelberg, Dr. Jens Hildebrandt, Dez. III, Bildung, Jugend, Gesundheit, Mannheim sowie Şafak Öztürk, Turkuaz Plattform, Düsseldorf teil. Die Runde wurde von Dr. Katja Thörner, Eugen-Biser-Stiftung München und Prof. Dr. Havva Engin, PH Heidelberg, moderiert.
Zu Beginn der Gesprächsrunde wurden die muslimischen Podiumsteilnehmer danach gefragt, welchen Eindruck die mediale Bericherstattung über den so genannten “Islamischen Staat – IS” bei ihnen hinterlässt und wie sie die diesbezügliche Stimmung in den Gemeinden einschätzen.
Safak Öztürk, Vertreter der Turkuaz Plattform und Lehrkraft an einer Sekundarschule, betonte, dass er durch seinen Beruf viel Kontakt zu Kindern und Jugendlichen muslimischer Herkunft habe und immer wieder an einer klaren Distanzierung seitens der Muslime zur “IS” gearbeitet werden müsse. Die Bewegung sei inakzeptabel und stehe nicht für den Islam, sondern sei Teil des „Neo-Islams“.
Yakup Divrak verwies darauf, dass die alevitisch-bektaschitische Gemeinde, die er vertrete, Gewalt und Krieg im Namen der Religion strikt ablehne, diesbezüglich daher viel Arbeit auf der Ebene der Gesamt-Gesellschaft aber auch auf der Ebene der muslimischen Gemeinden vor ihnen läge.
Dr. Bekir Alboğa machte darauf aufmerksam, dass bei ihm zunehmend verunsicherte Eltern für deutschsprachige Vorträge für ihre Kinder und Jugendlichen in den Moscheen nachfragten. In seinen Augen sind salafistische Prediger, welche um die Jugendlichen werben, nicht theologisch geschult, sondern gehen äußerst demagogisch und willkürlich mit dem Koran um. Es handele sich um indoktrinierte Menschen, die keine Basis für eine theologischen Auseinandersetzung böten. Leider würden die radikalen Prediger verstärkt bei Jugendlichen, die vorher ein „un-muslimisches“ Leben bzw. eines ohne Werte-Fundament geführt hätten, auf Anklang stoßen, was sehr bedenklich sei.
Veranstaltungteilnehmer verfolgen die Diskussion zwischen Podium und Wortmeldungen einzelner Teilnehmer |
Dr. Jens Hildebrandt als Vertreter der Stadt Mannheim unterstrich ebenfalls, dass Islam und “IS” nicht zusammen gehörten. Problematisch sei mittlerweile, dass in Mannheim Muslime, die sich für ihre Rechte einsetzen, durch die aktuellen negativen Berichte nicht mehr gehört würden. Die Kommunen hätten die Aufgabe, zu dechiffrieren und Dialogmöglichkeiten auf Augenhöhe zu schaffen, um Radikalisierungsbestrebungen von Anbeginn zu erkennen und ihnen wirksam zu begegnen.
Im Anschluss erhielten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung Gelegenheit, zu den Ausführungen des Podiums Stellung zu nehmen und eigene Standpunkte zum Thema darzulegen.
Im regen Austausch mit dem Podium kristallisierte sich heraus, dass der beste bzw. effektivste Weg gegen Radikalisierungstendenzen von Jugendlichen - seien diese nationalistisch oder religiös motiviert – darin bestünde, eine bessere Zusammenarbeit von (religiösen) Gemeinden und Verbänden über die Religionsgrenzen zu erreichen. Die Diskutanten unterstrichen, dass es allen am Dialog Beteiligten um die Wahrung universeller menschlicher Grund-Werte in einem demokratischen Rechtsstaats gehe, darum eine Kooperation über Religionsgrenzen unerlässlich geworden sei.
Die Veranstaltung klang mit regen bilateralen Gesprächen im Foyer aus.
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